Lieferantenaudit: Der Leitfaden für einen erfolgreichen Auditprozess
Ein Lieferantenaudit ist ein systematisches Verfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit von Lieferanten. Es dient der Risikominimierung, Qualitätssicherung, Prozessoptimierung und bildet die Grundlage für die Lieferantenentwicklung. Audits werden nach klaren Kriterien geplant, vor Ort durchgeführt, ausgewertet und mit einem Follow-up begleitet, um Verbesserungen umzusetzen. Ziel ist nicht Misstrauen, sondern Transparenz, partnerschaftliche Zusammenarbeit und kontinuierliche Optimierung der Lieferkette.
In globalisierten Lieferketten ist Vertrauen in die eigenen Lieferanten essenziell. Doch blindes Vertrauen reicht nicht aus, um Qualität, Effizienz und die Einhaltung von Standards sicherzustellen. Professionelle Unternehmen benötigen einen systematischen Prozess, um die Leistungsfähigkeit ihrer Partner objektiv zu überprüfen. Das zentrale Instrument hierfür ist das Lieferantenaudit.
Ein Audit ist dabei kein Akt des Misstrauens, sondern ein kollaboratives Werkzeug, das Transparenz schafft und als Grundlage für die gemeinsame Weiterentwicklung dient. Es hilft, Risiken zu minimieren, die Produktqualität zu steigern und die Lieferantenbeziehungen auf eine solide, datengestützte Basis zu stellen.
Dieser Leitfaden erklärt Ihnen Schritt für Schritt, was ein Lieferantenaudit ist, welche Arten es gibt und wie der Ablauf in der Praxis aussieht, damit Sie Verbesserungspotenziale in Ihrer Lieferkette gezielt identifizieren und nutzen können.
Was ist ein Lieferantenaudit?
Ein Lieferantenaudit ist eine systematische und unabhängige Untersuchung, die bei einem neuen oder bestehenden Lieferanten durchgeführt wird. Ziel des Audits ist es, zu überprüfen, ob die Prozesse, Systeme und die Leistungsfähigkeit des Lieferanten den zuvor festgelegten Kriterien entsprechen. Diese Kriterien können vertragliche Vereinbarungen, Qualitätsnormen (z.B. ISO 9001) oder gesetzliche Vorgaben sein.
Warum ist ein Lieferantenaudit so wichtig?
Ein regelmäßig oder anlassbezogen durchgeführtes Lieferantenaudit ist ein Eckpfeiler des strategischen Lieferantenmanagements. Es dient sowohl der initialen Lieferantenauswahl als auch der kontinuierlichen Lieferantenbewertung und -entwicklung. Die zentralen Vorteile sind:
- Risikominimierung: Sie identifizieren potenzielle Qualitäts-, Prozess- oder Compliance-Risiken bei Ihrem Zulieferer, bevor diese zu einem Problem für Ihr eigenes Unternehmen werden. Ein Audit ist damit ein zentrales Instrument im Einkauf-Risikomanagement.
- Qualitätssicherung
Sie stellen sicher, dass der Lieferant die geforderten Qualitätsstandards nicht nur verspricht, sondern auch in seinen Prozessen verankert hat und konstant erfüllen kann. - Prozessoptimierung
Ein Audit deckt oft Verbesserungspotenziale auf beiden Seiten auf und fördert die Effizienz in der gemeinsamen Zusammenarbeit und der gesamten Wertschöpfungskette. - Grundlage für die Lieferantenentwicklung
Die im Auditbericht festgelegten Erkenntnisse sind die Basis, um gezielte Entwicklungsmaßnahmen mit dem Lieferanten zu vereinbaren und dessen Leistungsfähigkeit zu steigern. - Nachweis von Sorgfaltspflichten
Insbesondere im Hinblick auf Gesetze wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) dient ein Audit als wichtiger Nachweis, dass Sie Ihre Partner sorgfältig prüfen.
Die verschiedenen Arten von Lieferantenaudits
Je nach Zielsetzung und Prüfungstiefe unterscheidet man hauptsächlich drei Arten von Audits:
- Systemaudit
Hier wird das gesamte Managementsystem des Lieferanten überprüft, allen voran das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001. Es wird geprüft, ob die dokumentierten Prozesse gelebt werden und wirksam sind. - Prozessaudit
Dieses Audit konzentriert sich auf einen spezifischen Herstellungs- oder Dienstleistungsprozess. Es wird analysiert, ob der festgelegte Prozessablauf beherrscht wird und zu den gewünschten Ergebnissen führt. - Produktaudit
Hierbei wird ein fertiges Produkt anhand der Spezifikationen und Qualitätsanforderungen geprüft. Es ist eine finale Kontrolle der Ergebnisqualität.

Der Ablauf eines Lieferantenaudits: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
Ein professionelles Lieferantenaudit folgt einem strukturierten und standardisierten Ablauf. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Ergebnisse objektiv, vergleichbar und nachvollziehbar sind. Der Prozess lässt sich in vier Hauptphasen unterteilen.
Phase 1: Planung und Vorbereitung
Diese Phase ist die wichtigste, denn hier wird der Grundstein für ein erfolgreiches Audit gelegt. Eine sorgfältige Planung spart Zeit und sorgt für zielgerichtete Ergebnisse. Die Schritte umfassen die Auswahl des Lieferanten, die Zieldefinition, die Team-Zusammenstellung und die Erstellung der Audit-Dokumente.
- Ziele festlegen
Definieren Sie klar, was Sie mit dem Audit erreichen wollen. Geht es um die Qualifizierung eines neuen Lieferanten, eine routinemäßige Überprüfung eines bestehenden Partners oder die Ursachenforschung für ein akutes Qualitätsproblem? - Auditteam zusammenstellen
Benennen Sie einen leitenden Auditor und ziehen Sie bei Bedarf Fachexperten aus relevanten Abteilungen (z.B. Produktion, Entwicklung) hinzu. Sie können auf geschulte interne Mitarbeiter oder externe Spezialisten, z.B. von Zertifizierungsgesellschaften, zurückgreifen. - Auditplan erstellen
Der Auditplan ist der detaillierte Fahrplan. Er enthält den genauen Zeitplan, die zu prüfenden Bereiche und Prozesse sowie die jeweiligen Ansprechpartner beim Lieferanten. Dieser Plan wird im Vorfeld mit dem Lieferanten abgestimmt. - Checkliste entwickeln
Die Checkliste ist das zentrale Werkzeug des Auditors. Sie übersetzt die festgelegten Kriterien in konkrete Fragen und Prüfpunkte. Vorlagen und Best Practices hierfür bieten oft Fachorganisationen wie die "Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ)".
Phase 2: Durchführung vor Ort
Nach der Vorbereitung findet das eigentliche Audit beim Lieferanten statt. Ein professionelles und partnerschaftliches Auftreten ist hier entscheidend, um eine offene und konstruktive Atmosphäre zu schaffen.
- Eröffnungsgespräch
Das Audit beginnt mit einem gemeinsamen Gespräch, in dem das Auditteam vorgestellt wird, der Plan erläutert und das Ziel des Audits transparent gemacht wird. - Begehung und Interviews
Der Kern des Audits besteht aus Betriebsbegehungen, der Beobachtung von Prozessen und Interviews mit den Mitarbeitern des Lieferanten. Hier wird der reale Ist-Zustand mit dem definierten Soll-Zustand verglichen. Der Auditor dokumentiert seine Beobachtungen sorgfältig. - Dokumentenprüfung
Wichtige Dokumente wie das QM-Handbuch, Arbeitsanweisungen, Prüfprotokolle und Zertifikate werden eingesehen. Ein zentraler Punkt ist oft die Überprüfung des Qualitätsmanagementsystems gemäß der Norm ISO 9001, deren Anforderungen von der "International Organization for Standardization (ISO)" definiert werden. - Abschlussgespräch
Unmittelbar am Ende des Audits werden in einem Abschlussgespräch die ersten Eindrücke, positive Aspekte und festgestellte Abweichungen direkt mit dem Management des Lieferanten besprochen. Dies sorgt für unmittelbare Transparenz.

Phase 3: Nachbereitung und Auditbericht
Nach dem Termin vor Ort beginnt die systematische Auswertung. Alle Notizen, Fotos und Dokumente werden zusammengetragen und analysiert.
- Auditbericht erstellen
Der Auditor verfasst einen detaillierten Auditbericht. Dieser enthält alle Stammdaten, eine Zusammenfassung des Verlaufs, die festgestellten Abweichungen (oft unterteilt in Haupt- und Nebenabweichungen), die identifizierten Verbesserungspotenziale sowie explizit auch positive Beobachtungen. Der Bericht sollte objektiv und faktenbasiert sein. - Bewertung vornehmen
Basierend auf den Ergebnissen wird eine Gesamtbewertung des Lieferanten vorgenommen. Diese fließt direkt in die offizielle Lieferantenbewertung ein und kann den Status des Lieferanten (z.B. A-, B- oder C-Lieferant) beeinflussen.
Phase 4: Maßnahmenverfolgung (Follow-up)
Ein Audit ohne konsequente Nachverfolgung ist wirkungslos. Diese Phase stellt sicher, dass die festgestellten Mängel auch wirklich behoben werden. Dies ist der direkte Übergang in die Lieferantenentwicklung.
- Maßnahmenplan anfordern
Der auditierte Lieferant wird aufgefordert, einen Maßnahmenplan zu erstellen. Darin muss er beschreiben, wie (Maßnahmen), bis wann (Frist) und durch wen (Verantwortlichkeit) er die festgestellten Abweichungen korrigieren wird. - Maßnahmen-Controlling
Das einkaufende Unternehmen überprüft die Umsetzung der Maßnahmen anhand der festgelegten Fristen. - Wirksamkeitsprüfung
Nach Abschluss der Korrekturen wird geprüft, ob die Maßnahmen das Problem auch nachhaltig gelöst haben. Dies ist der wichtigste Schritt, um eine kontinuierliche Verbesserung zu gewährleisten.
Die Lieferantenaudit-Checkliste: Worauf müssen Sie achten?
Die Checkliste ist das Herzstück jeder Auditierung. Sie stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte systematisch geprüft werden. Der Inhalt ist stark von der Branche und dem Produkt abhängig, aber einige Kernbereiche sind fast immer enthalten:
- Allgemeines
Unternehmensdaten, Organisation, Managementverantwortung. - Qualitätsmanagementsystem
Gibt es ein QM-Handbuch? Werden Prozesse gelenkt? - Personal
Sind die Mitarbeiter für ihre Aufgaben qualifiziert und werden sie regelmäßig geschult? - Beschaffung
Wie stellt der Zulieferer die Qualität seiner eigenen Lieferanten sicher? - Produktion und Dienstleistungserbringung
Werden die Prozesse beherrscht und gelenkt? Ist die technische Ausstattung modern und wird sie gewartet? - PrüfmittelüberwachungWerden Mess- und Prüfmittel regelmäßig kalibriert?

Fazit: Transparenz und Partnerschaft als Ziel
Ein Lieferantenaudit ist ein mächtiges Instrument, um die eigene Lieferkette robuster und leistungsfähiger zu machen. Richtig durchgeführt, ist es kein Examen, bei dem ein Lieferant durchfallen soll, sondern ein strukturierter Dialog auf Augenhöhe. Das Ziel des Lieferantenaudits ist es, Transparenz zu schaffen, gemeinsam Verbesserungspotenziale zu heben und die Grundlage für eine starke, kontinuierlich lernende und partnerschaftliche Geschäftsbeziehung zu legen.

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